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Landgericht Meiningen: Liken kann strafbar sein

Berlin/Meiningen –

Vorbemerkung: Anders als in einigen Medien behauptet, existiert kein Urteil, sondern nur Beschlüsse. Eine Verhandung hat nicht stattgefunden. Anders als einige Medien behaupten, wurde auch niemand verurteilt. Das Landgericht Meiningen hat festgestellt, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts rechtmässig war.

Das bloße Liken von fremden Beiträgen kann auf sozialen Medien strafbar sein, wenn der ursprüngliche Beitrag selbst strafbare Inhalte enthielt. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Meiningen (LG Meiningen, Beschl. v. 05.08.2022, 6 Qs 146/22) hervor.

Ein Facebook-Nutzer hatte den Beitrag eines anderen Nutzers gelikt. In diesem Beitrag hieß es in Bezug auf die beiden bei dem Polizistenmord von Kusel am 31. Januar 2022 ermordeten Polizisten „Keine einzige Sekunde Schweigen für diese Kreaturen“. Die Staatsanwaltschaft Meiningen beantragte daraufhin, die Durchsuchung der Wohnung, des Pkw und der Person, die den Beitrag gelikt hatte. Durch das Liken des Beitrages habe sich der Facebook-Nutzer sowohl der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 StGB als auch der Belohnung und Billigung von Straftaten nach § 140 StGB strafbar gemacht, hieß es in dem Antrag. Es sei anzunehmen, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen werde, beispielsweise Smartphones und anderen Speichermedien. Die Durchsuchung wurde nach § 110 Abs. 3 Satz 2 StPO auch auf Online-Speicher erweitert. Eine Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Meiningen erließ daraufhin den beantragen Durchsuchungsbeschluss. Der Durchsuchungsbeschluss wurde vollzogen.

LG Meiningen: Like ist „Zu-eigen-machen“

Daraufhin beauftragte der Beschuldigte den Berliner Straf- und Medienanwalt Ehssan Khazaeli. Dieser legte gegen den Durchsuchungsbeschluss Beschwerde ein. Er kritisierte die Entscheidung scharf: „Durch das Liken eines Beitrages, bleibt weiterhin deutlich, dass es der Beitrag einer anderen Person ist – von einem „Zu-eigen-machen“ kann keine Rede sein“, sagte er am Sonntagabend in Berlin. Eine eigene gedankliche Erklärung sei mit dem Like gar nicht verbunden. Auch könne das Liken dieses Beitrages kein Billigen einer Straftat darstellen. „Der Post knüpft an die Trauerkultur und die Trauerfeier für die beiden Polizisten an, nicht an den Mord als solches. Das kann man und sollte man geschmacklos finden, strafrechtlich ist das aber nicht relevant“, sagte Ehssan Khazaeli.

Ehssan Khazaeli: Klick auf „Gefällt-mir-Button“ enthält keine Erklärung

Gegen beide Entscheidungen soll kommenden Monat Verfassungsbeschwerde erhoben werden. „Es geht nicht um den Einzelfall, sondern um die grundsätzliche Frage, ob das bloße Liken auf sozialen Medien strafbar sein kann und zu Hausdurchsuchungen führen kann“, sagte Rechtsanwalt Ehssan Khazaeli.

Die Auffassung des Amtsgerichts Meiningen wurde jedoch durch das Landgericht Meiningen gestützt. Der ursprüngliche Beitrag des Nutzers sei als Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 StGB anzusehen. Zur Begründung führt das Landgericht in seinem Beschluss aus:

„Die Handlung, derer der Beschwerdeführer verdächtig ist, ist als sog. Liken eine hinreichende Ausrichtung bzw. Kundgabe der Befürwortung der Äußerungen des Nutzers „NAME0001“. Nach der Rspr. Des BGH setzt die Gleichstellung der Wiedergabe fremder Missachtung als Äußerung eigener Missachtung voraus, dass sich der Nutzer die fremde Äußerung zu ei- gen macht, mithin so in den eigenen Gedankengang einfügt,  dass sie insgesamt als eigene erscheint.

Darin liegt auch die ureigentliche Funktion des sog. Likes auf Facebook oder vergleichbaren Medien. Unbeschadet dessen, dass die Anbringung eines solchen „Likes“, der wörtlich übersetzt jedenfalls in Mitteleuropa so viel wie „(ich) mag es“ oder „(ich) will es“ bedeutet, regelmäßig durch das Betätigen einer Schaltfläche mit den Worten „Gefällt mir“ erfolgt, ist gerade auch das Zurschaustellen dieser Befürwortung nach außen Sinn dieser Kommentarfunktion. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass öffentlichkeitswirksame Vorgänge in anderen Medien regelmäßig damit als besonders herausragend etikettiert werden, dass sie nach der Anzahl ihres „Likes“ (oder demgemäß Distanzierung bedeutende „Dislikes“) ohne weiteres und nachgerade selbsterklärend bemessen werden.

Dass eine Faust mit nach oben gerecktem Daumen Zustimmung und Gutheißung bedeutet, kann ohnehin nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Der dahinterstehende Symbolgehalt einer nonverbalen, auf Belobigung oder jedenfalls unbeschränkte Zustimmung ausgerichteten Kommunikation dürfte selbst von Rezipienten im Vorschulalter nur als solcher verstanden werden. In den modernen Medien hat er sich jedenfalls zum regelrechten Sinnbild der Befürwortung etabliert. In der auch hier in Rede stehenden Kommentarfunktion der Plattform Facebook dient diese Symbolik auch der gezieltermaßen öffentlichen Bewertung eines Beitrages, was nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, dass entsprechende Symbol-Schaltflächen vom Betreiber des Portals unter den Beiträgen als eine Art Einladung zum Kommentieren vorgehalten werden.

Soweit kommt darin auch nicht nur eine gewissermaßen stille Befürwortung – etwa nur dem Verfasser gegenüber zum Ausdruck, sondern die bewusst und für die Öffentlichkeit des Internets zum Ausdruck gebrachte Befürwortung der Inhalte. Deutlicher kann man ein Zueigenmachen kaum zum Ausdruck bringen bzw. allenfalls expressis verbis mit den Worten „Ich stimme dem zu“ – nicht anderes symbolisiert aber hier allgemeinhin das in Rede stehende sog. Emoji. Die darin liegende Bekundung von Sympathie nach außen ist insoweit auch aus Sicht eines Dritten mit einer verbal kundgegebenen Zustimmung nach außen gleichzusetzen (siehe auch Eckel, NStZ 2021, S. 1 ff.). Soweit dem vereinzelt entgegen gehalten wird, dass das Schicksal des sog. Likes dem des in Bezug genommenen Beitrages akzessorisch verbunden sei soll, ist dies irrelevant. Für die Schuldfrage kommt es naturgemäß auf den (Tat-)Zeitpunkt an, in dem der tatbestandliche Erfolg verwirklicht wird. Ohnehin dürfte derjenige, der (fremde) Beiträge mit entsprechender Symbolik versieht, regelmäßig keinen Einfluss auf den Bestand des Beitrages, umgekehrt aber gerade auf das Fortbestehen seines „Likes“ haben.“

Hinsichtlich des Tatverdachts in Bezug auf das Billigen einer Straftat – hier dem Polizistenmord – führt das Landgericht aus:

„Die Tathandlung nach der dortigen Nr. 2 besteht darin, dass der Täter die Tat öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Inhalten durch eine auf eine konkrete Tat bezogene und aus sich heraus verständliche Erklärung gutheißt (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2020, § 140 Rn. 6). Dies ist bei der gebotenen Gesamtbetrachtung anzunehmen. Tatbestandsmäßig sind auch befürwortende Äußerungen im Internet auf Webseiten, wobei auch schlüssige Erklärungen genügen (BGHSt 22, Seite 286; OLG Braunschweig NJW 1978, Seite 2045). Aus den bereits dargestellten Gründen liegt in der gegenständlichen Tathandlung ein Zueigenmachen, was – a maiore ad minus – eine Billigung einschließt. Aus dem Kontext des Posts ist bei objektiver Betrachtung zu entnehmen, dass derjenige, der den Opfern eines Tötungsdelikts i.S.v. § 126 Abs. 1 Nr. 3 StGB jede Würde absprechen will, auch auf den Leitartikel, dessen Kommentierung unternommen wird, Bezug nimmt und letztlich die dort dargestellte Straftat des Mordes in 2 Fällen billigt. Wer demjenigen, der durch ein Verbrechen zu Tode gekommen ist, in der dargestellten Weise jede Anerkennung und Ehrung abspricht, heißt das Verbrechen an sich gut. Bei lebensnaher Betrachtung kann die Zustimmung, den Opfern ohne weiteres ein Mindestmaß an Menschenwürde abzusprechen, nicht anders als die Billigung des Zentralgeschehens verstanden werden, auf das allein das Gedenken Bezug nimmt.

Voraussetzung ist weiter, dass die Äußerung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Die Bezugnahme auf die Friedensschutzklausel ermöglicht es, das weit gefasste abstrakte Gefährdungsdelikt restriktiv auszulegen (Fischer, a.a.O. Rn. 8). Angesichts einer unkontrollierten Verbreitung der Billigung über das Medium Facebook ist dies – wie auch der Verlauf der hiesigen Ermittlungen selbst zeigt – ganz offensichtlich der Fall.“

Update 21. Juli 2024:
Das Amtsgericht Eisenach hat gegen den Beschuldigten am 6. Juli 2024 einen Strafbefehl über 60 Tagessätze zu je 30 Euro (mithin 1.800,00 Euro) erlassen. Der Beschuldigte hat aus wirtschaftlichen Gründen selbst gegen diesen Einspruch eingelegt und diesen auf die Tagessatzhöhe beschränkt.

Landgericht Meiningen: Liken kann strafbar sein

Ehssan Khazaeli

Ehssan Khazaeli

Rechtsanwalt
Strafrecht · Medienrecht

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