Die Staatsanwaltschaft Berlin hat die Ermittlungen gegen einen 20-Jährigen wegen des Vorwurfs der Freiheitsberaubung und der gefährlichen Körperverletzung eingestellt. Zuvor gab es erhebliche Zweifel an den kriminalpolizeilichen Ermittlungen. Der Fall wirft Fragen auf.
Im Februar 2024 soll es zu einer Art „Entführung“ gekommen sein. Eine junge Dame sollte Mitgliedern der Großfamilie S.* mitteilen, wo eine bestimmte Frau wohnt. Nachdem sie sich zunächst geweigert hatte, die Anschrift mitzuteilen, wurde sie bedroht. Man würde mit ihr zum in Staaken liegenden und wohl abgelegenen Hahneberg fahren und sie dort zusammenschlagen. Unter diesem Eindruck fuhr man anschließend gemeinsam mit ihr im Auto zu der von ihr angegeben Anschrift und überprüfte ihre Angaben. Während der Autofahrt durch den Westen Berlins durfte sie nicht aus dem Auto aussteigen – versuchte es aber auch nicht. Diesen Vorgang brachte sie einige Wochen später zur Anzeige, wobei sie den Beifahrer als Mohammed S.* bezeichnete. Mohammad S. führt tatsächlich den Namen einer deutschlandweit bekannten arabischen Großfamilie. Teile dieser Familie fallen immer wieder durch spektakuläre Diebstahlstaten – wie etwa Einbrüchen in Feuerwehrwachen – auf.
Mohammad S. soll der Bruder des Hauptverdächtigen Ali S. sein, dessen Nachname aber anders geschrieben wird als Mohammads. Polizeilich ist bekannt, dass es mindestens fünf verschiedene Schreibweisen zu dem Nachnamen gibt. Ausgesprochen werden sie alle gleich oder ähnlich.
Die zweite Tat ereignet sich im Sommer 2024: Die junge Dame soll über Ali S. auf TikTok in einem Livestream schlecht geredet haben, weswegen sie im Juni 2024 unter einem Vorwand zu einem Aldi-Parkplatz in Mariendorf bestellt wird. Dort wird sie von Ali S. geschlagen und getreten. Er wird später auf Filmaufnahmen eindeutig zu erkennen sein. Bei dieser Aktion soll auch Mohammad S. wieder beteiligt gewesen sein. Ali soll ihn immer wieder aufgefordert haben, das Geschehen zu filmen. Tatsächlich befindet sich wirklich eine zweite Person am Tatort. Um wen es sich dabei handelt, bleibt allerdings offen. Die leitende Kommissarin übernimmt aus dem Entführungsvorgang ungeprüft die Daten von Mohammad S. Mohammad soll nun zu Beschuldigtenvernehmungen wegen des Vorwurf der Freiheitsberaubung und der gefährlichen Körperverletzung vernommen werden.
Bei einer sequentiellen Wahllichtbildvorlage in den Räumen des Berliner Landeskriminalamts erkannte die Geschädigte den Hauptverdächtigen Ali auf Anhieb. Den weiter Beschuldigten Mohammad S. erkannte sie hingegen nicht. Wie im Bereich der organisierten Kriminalität nicht unüblich, erhält Mohammad S. unangekündigten Besuch des Landeskriminalamts. In seinem Zehlendorfer Hausflur stehen großgewachsene Männer, die den Auftrag haben, eine Gefährderansprache durchzuführen. Derartige Gespräche sollen betroffene dafür sensibilisieren, dass sie nun im Fokus der Ermittler stehen. Mohammed beteuert jedoch, mit den Vorgängen nichts zutun zu haben. Weder kenne er Ali noch die Geschädigte. Auf die Beamten wirkt er überrascht.
Zweifel an der Täterschaft des Mohammad kommen den ermittelnden Beamten allerdings dennoch nicht. Auch dass die Geschädigte die Täter während ihrer Vernehmung mehrfach „die Jungs aus Mariendorf“ nennt, Mohammad aber nicht aus Mariendorf sondern aus Zehlendorf stammt und auch nicht der Bruder von Ali ist, lässt keine Zweifel wach werden. Das hätten die Ermittler leicht durch einfache Auskünfte aus den Melderegistern prüfen können. Neben früheren Meldeanschriften ist darin auch verzeichnet, wer die Eltern einer Person sind. Ali und Mohammed haben unterschiedliche Eltern, wie sich aus den Meldedaten ergeben hätte.
Erst auf eine Schutzschrift der Verteidigung in der auf alle diese Ungereimtheiten hingewiesen wird, stellt die Staatsanwaltschaft Berlin das gegen Mohammad S. nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung ein. Tatsächlich führen in Berlin mehrere Hundert Personen denselben Nachnamen – in unterschiedlichen Schreibweisen. Auch Mohammads Vornamen könnte man sehr unterschiedlich schreiben, weswegen es naheliegt, dass eine Personenverwechslung durch die Berliner Polizei vorliegt.
* Name geändert
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Ehssan Khazaeli
Rechtsanwalt
Strafrecht · Medienrecht
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