Weil er einen Polizisten als „Meister“ , „Digga“ und ihn ungewollt geduzt und auf tunesisch als „Schwanz“ bezeichnet haben soll, musste sich ein 25-jähriger Student vor einer Richterin des Amtsgerichts Tiergarten verantworten. Das Verfahren wurde nach einer Entschuldigung im Gerichtssaal eingestellt.
Im Sommer 2023 wurden zwei Streifenwagenbesatzungen der Berliner Polizei in eine Seitenstraße der in Schöneberg liegenden Hauptstraße gerufen. Dort soll aus einer Gruppe heraus ein Fahrzeug beschädigt worden sein. SO schilderte es ein Zeugen am Telefon. Vor Ort angetroffen konnte dann eine fünfköpfige Gruppe von Studenten, die aber, wie sich später erst herausstellte, mit dem Vorwurf nichts zutun hatte, festgestellt werden. Weil einzelne Mitglieder der Gruppe erheblich alkoholisiert waren und kein Verständnis für den Einsatz hatten, kam es zu einer aggressiven Diskussion, so schildern es einige Monate später die eingesetzten Polizisten vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte gegen den Angeklagten den Erlass eines Strafbefehls beantragt. 1.000,- Euro sollte er wegen Beleidigung zahlen. Gegen diesen wurde Einspruch durch seinen Verteidiger Ehssan Khazaeli eingelegt.
Während eines Rechtsgesprächs im Vorfeld der Hauptverhandlung erklärte die zuständige Richterin, sie halte die Bezeichnungen „Meister“, „Digga“ und das ständige Duzen nicht für strafrechtlich relevante. Die Berliner Polizei wirbt auf Werbeplakaten selbst und duzt dabei das Publikum selbst, so dass auch davon ausgegangen werden kann, dass Berliner Polizisten geduzt werden könnten. Sie wies aber auch darauf hin, dass das andere Richter anders sehen würden.
Ein von der Verteidigung mitgebrachter Sachverständiger erklärte, dass die Bezeichnung „Ya Sippi“ im tunesischen als Jugendsprache durchaus üblich sei und in diesem Kontext keine Beleidigung darstellen würde. Es wird häufig in deutschen Rap-Songs verwendet. Allerdings würde man einer Respektsperson gegenüber wohl besser nicht „Ya Sippi“ sagen. Der Polizei-Zeuge räumte ein, dass „Sippi“ am Abend der Kontrolle mehrfach aus der Gruppe heraus und auch untereinander gesagt wurde – drei mal aber auch explizit an ihn gerichtet.
Der vernommene Polizist erklärte allerdings, dass er erst im Anschluss recherchiert hatte, was das Wort genau bedeutet. Es war ihm zwar schon vorher bekannt, dass es eine Beleidigung darstellen würde, allerdings nicht, was es konkret bedeutet. Ob dann überhaupt eine Beleidgung vorliegen könnte, stellte die Richterin im Rahmen eines Rechtsgesprächs in Zweifel und schlug vor, dass sich der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung bei dem Geschädigten Polizisten für sein Verhalten entschuldigt. Mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligter wurde das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Bei Aufenthaltsrechtlichen Fragen können sich Verurteilungen negativ auswirken und solche Verfahren in die Länge ziehen, weshalb eine Verfahrenseinstellung auf Dauer vorteilhafter ist.
Kundgabe setzt voraus, dass ein anderer Kenntnis von der Äußerung erlangt und sie in ihrem ehrenrührigen Sinne versteht. Sich in unverständlicher Art und Weise oder auch in einer fremden Sprache zu äußern, so dass niemand die Erklärung als beleidigend auffasst, genügt daher nicht. Dass der Adressat die Ehrverletzung auch als solche verstehen muss, lehnen einige Vertreter der juristischen Fachliteratur unter Hinweis darauf ab, dass die Verletzung des Achtungsanspruchs unabhängig davon erfolge, ob der Betroffene den Inhalt der Äußerung in seinem ehrenrührigen Sinn verstehe. Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner früheren Rechtsprechung von diesem Erfordernis abgesehen, verlangt aber nunmehr, wie schon früher das Reichsgericht mit dem überwiegenden Teil der Fachliteratur, dass die Kundgabe der Missachtung in ihrem ehrenrührigen Sinn verstanden wird. Voraussetzung für eine Vollendung ist aber zugleich, dass der Betroffene in seinem Geltungswert herabgesetzt wird. Gibt es niemanden, der die Äußerung als beleidigend versteht, besteht auch keinerlei Gefahr für den Achtungsanspruch des Geschädigten, so dass der Kundgabeerfolg auch noch nicht eingetreten ist.
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Ehssan Khazaeli
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