Vor dem Amtsgericht Lichtenberg musste sich über das vergangene Jahr eine aus der Ukraine stammende Familie gegen eine Räumungsklage verteidigen. Ihnen wurde vorgeworfen, den Hausfrieden durch Bohr-, Hammer- und Sägegeräusche in einem Mehrfamilienhaus nachhaltig gestört zu haben. Vor Gericht ließ sich nicht klären, woher die Geräusche kamen, was ihre Ursache war und wie laut sie tatsächlich waren. Das Gericht wies die Klage durch Urteil vom vergangenen Dienstag ab (AG Lichtenberg, Urt. v. 30.01.2024, 3 C 150/23, nicht rechtskräftig).
Rund 12-Stockwerke ragt der Neubau an der Marzahner Mehrower Allee in die Höhe. 60 Wohnungen und Apartments finden in dem Gebäude Platz. Im Winter 2022 erfolgte die Fertigstellung. Dass es in der Anfangszeit öfter zu zu handwerklichen Arbeiten kommen kann, hatte sich das Entwickler-Paar aus dem Iran gedacht, dass es dann aber so schlimm werden würde, hätten sie nicht gedacht. Mehrfach wandten sie sich an die Hausverwaltung, riefen die Polizei und minderten die Miete. Sie waren sich sicher: Für den Lärm muss die über ihnen lebende Familie aus der Ukraine verantwortlich sein. Bei einigen Gesprächen stritten die aber ab, für den Lärm verantwortlich zu sein. Sie besäßen nicht einmal Werkzeug mit dem Lärm verursacht werden kann. Auch die Polizei konnte keine belastbaren Feststellungen treffen.
Auch nachdem die Hausverwaltung die aus der Ukraine stammende Familie abmahnte und auf Einhaltung der Hausordnung bat, trat keine Verbesserung ein. Andere Haushalte wurden nicht angeschrieben oder befragt. Die Familie brachte nur weiterhin zum Ausdruck, für den Lärm nicht verantwortlich zu sein.
Beabsichtigt ein Mieter dem Vermieter gegenüber Miete wegen Mängeln der Mietsache zu mindern, genügt es, wenn er ein Lärmprotokoll führt und sich aus den Aufzeichnungen Art, Umfang und Dauer der Lärmbelästigungen ergibt. Wesentlich strengere Maßstäbe gelten jedoch, wenn der Vermieter das Mietverhältnis einem Mieter gegenüber kündigt und die Kündigung mit einer nachhaltigen Störung des Hausfriedens begründet und nicht eindeutig festzustellen ist, aus welcher Wohnung der Lärm herrührt und wer dafür verantwortlich ist.
Unter dem Begriff des Hausfriedens wird das Erfordernis gegenseitiger Rücksichtnahme verstanden, was das Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haus überhaupt erst erträglich macht. Jede Partei muss sich bei der Ausübung ihrer mietvertraglichen Rechte so verhalten, dass keiner der anderen Beteiligten mehr als unvermeidbar gestört wird. Eine Störung des Hausfriedens liegt vor, sobald eine Mietpartei die selbstverständlichen Gebote gegenseitiger Rücksichtnahme schwerwiegend verletzt. „Nachhaltig“ meint, dass die Störung schwerwiegend und andauernd sein muss, so dass geringfügige oder kurze einmalige Störungen für eine fristlose Kündigung nicht ausreichen, sofern dieses sich nicht mehrfach wiederholt. Das Mietverhältnis muss schwer belastet werden und zu einer Art Dauerzustand werden, wofür es ausreicht, dass sie häufiger vorkommt. Welcher Lärm hinzunehmen ist und welcher nicht mehr, ist dabei eine Frage des Einzelfalls, wobei maßgeblich auf die Verhältnisse des Wohnobjekts abzustellen ist. Ob Geräusche als störend wahrgenommen werden ist unter Berücksichtigung wertender Momente festzustellen und dabei auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen.
Nach der Beweisaufnahme empfahl das Gericht der Klägerin ausdrücklich, die Klage zurückzunehmen. Die Vorwürfe hätten sich nach der Vernehmung dreier Zeugen nicht bestätigen können, so dass auch keine Veranlassung bestünde, die angebotenen Entlastungszeugen zu vernehmen. Der Geschäftsführer der Hausverwaltung erklärte jedoch, alles richtig gemacht zu haben. Man wolle jetzt auch ein Urteil haben, um zu wissen, ob die Hausverwaltung auch in Zukunft alles richtig machen kann.
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Ehssan Khazaeli
Rechtsanwalt
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