Isabella I. ist 30 Jahre alt uns arbeitet als Pflegefachkraft in einem Berliner Krankenhaus. Sie hat in ihrem Leben bisher nichts falsch gemacht – jedenfalls in strafrechtlicher Hinsicht. Im Frühjahr 2024 liegt allerdings ein Schreiben der Hamburger Polizei in ihrem Briefkasten: Sie soll versucht haben, einen Betrug begangen zu haben. In einer handschriftlichen Stellungnahme an die Polizei bestreitet Bella I. den Tatvorwurf. Sie habe nichts Falsches gemacht, schreibt sie in Schönschrift. Mehr schreibt sie allerdings nicht – muss sie auch nicht.
Die Hamburger Polizei schließt die sehr oberflächlichen Ermittlungen ab und sendet die Akte an die Staatsanwaltschaft Berlin, schließlich wohnt hier die Beschuldigte und hier dürfte auch der Tatort liegen. Die Staatsanwaltschaft Berlin beantragt beim Amtsgericht Tiergarten den Erlass eines so genannten Strafbefehls über 60 Tagessätze zu je 40 Euro – also 2.400,00 Euro. Ein Richter am Amtsgericht Tiergarten erlässt den Strafbefehl antragsgemäß. Nach § 263 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs wird mit Geldstrafe oder Haftstrafe bis zu fünf Jahren bestraft, wer sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft, indem er durch Vorspielung unwahrer Tatsachen einen Irrtum erregt.
Der Vorwurf: Im Juni 2023 soll Isabella I. ein Schreiben an die Verwaltung der Hansestadt Hamburg gesendet haben und sich in diesem Schreiben als Frau Schmidt ausgeben haben. Frau Schmidt habe gerade Probleme mit ihrem Bankkonto, weswegen ihr Gehalt auf das Konto ihrer vermeintlichen Schwester Isabella I. überwiesen werden sollte. Das Schreiben wirkt authentisch, schließlich enthält es auch die Personalnummer von Frau Schmidt. Das Schreiben wurde im Bereich des Briefzentrums 13 – also im Norden Berlins – eingeworfen. Die Hansestadt Hamburg nahm das Schreiben nicht an, denn es war nicht frankiert. Es wird an die vermeintlichen Absenderin Frau Schmidt zurück geschickt. So erstattet die in Hamburg lebende Frau Schmidt bei der Hamburger Polizei Strafanzeige gegen die nichts ahnende Isabella I.
Eine BaFin-Auskunft hatte ergeben, dass Isabella I. unter Angabe einer in Leipzig liegenden Anschrift ein Bankkonto bei deiner deutschen Direktbank eröffnet hatte. So lässt es sich aus den Ermittlungsakten konstruieren. Tatsächlich lebte sie aber nie in Leipzig. Das war aber auch das Bankkonto, auf dem das Gehalt von Frau Schmidt in Zukunft eingezahlt werden sollte. Von all dem erfuhr Isabella I. erst, als sie durch ihren Verteidiger Ehssan Khazaeli Akteneinsicht nahm. In der Zwischenzeit hatte die Bank wegen „mangelnder Legitimation“ den Eröffnungsantrag zurückgewiesen und das Konto wieder geschlossen. Tatsächlich wurde bei der Eröffnung des Kontos kein Personalausweis vorgelegt.
Wie aber konnte bei einer Direktbank ein Bankkonto eröffnet werden, ohne dass sie etwas davon wusste? Ihren Personalausweis hatte sie nicht verloren. Tatsächlich hatte Isabella I. im Mai 2023 eine Kopie ihres Personalausweises an eine Mailadresse gesandt, die bereits von der Berliner Polizei mit betrügerischen Zwecken in Verbindung gebracht wurde. Isabella I. war damals auf Wohnungssuche und wurde auf „Kleinanzeigen“ fündig. Und auch Frau Schmidt aus Hamburg hatte einmal ihre Daten im Rahmen der Wohnungssuche versendet. Den Tätern muss es also irgendwie gelungen sein, das Identifikationsverfahren zu überwinden und mit Isabellas Daten ein Bankkonto zu eröffnen. Alle weiteren Informationen stammen aus Unterlagen, die Wohnungssucher arglos an eine Mailadresse gesandt hatten. An der Leipziger Anschrift hatte vermutlich jemand den Nachnamen von Isabella I. angebracht. Dorthin wurden die Bankkarte und die dazugehörige PIN versandt. So hatten die Täter Zugriff auf ein Bankkonto von dem Isabella I. nichts wusste. Dazu kommen noch schlampig und oberflächlich ermittelnde Hamburger Polizisten. Das ist insoweit erstaunlich, denn schließlich warnt die Hamburger Polizei selbst auf einer eigens eingerichteten Internetseite vor betrügerischen Wohnungsangeboten. Schon seit einigen Monaten ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen die Hintermänner – wovon die Hamburger Polizei offenbar nichts wusste.
Die Staatsanwaltschaft Berlin nimmt ein halbes Jahr nach dem Erlass des Strafbefehls den Antrag auf dessen Erlass den Antrag nach § 411 Abs. 3 Satz 1 StPO zurück. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Einen Teil ihrer Rechtsanwaltskosten muss Isabella I. selbst tragen.
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